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Neue Geographic Information Systems Toolbox

von Andreas Kuhn

Ab sofort steht eine erste Beta-Version der neuen Geographic Information Systems Toolbox von ANDATA für ausgesuchte Kunden und Projekte zur Verfügung.

Mit der Geographic Information Systems Toolbox können Trajektorien aus Naturalistic Driving-Daten, Field Operational Test-Daten (FOT), Fitness-Trackern, GPS-Trackern, etc. mit Daten aus verschiedenen Geographischen Informationssystemen (GIS) gelabelt, mit Kontextinformationen versehen und speziell analysiert werden. Damit stehen dann entsprechende Sensordaten und Tracking-Daten mit zusätzlicher Kontext-Information im Stipulator zur Verfügung und sind auf einfache Weise für Analysen etwa mit Machine-Learning-Verfahren im Brainer bearbeitbar. Hauptanwendungsfeld ist damit u.a. die Erstellung von Verhaltensmodellen diverser Verkehrsteilnehmer, wie sie in verschiedenen Anwendungen des automatisierten Fahrens und in der Verkehrsautomatisierung benötigt werden. Die Toolbox ist im Grunde genommen ein dynamisches geographisches Informationssystem (GIS), welches im Gegensatz zu herkömmlichen, statischen Ansätzen mit Zeitreihen verwendet werden kann.

Analysen von kontextsensitivem Fahrer-Verhalten

Eine Beispielanwendung für die Toolbox ist die Untersuchung von kontextsensitivem Fahrerverhalten. Wie reagiert ein Fahrzeuglenker, wenn er sich einem Stoppschild, einer Ampel oder einer ungeregelten Kreuzung mit einer bestimmten Topologie nähert? Mit der Geographic Information Systems Toolbox kann man diese Art von geographischem Kontext zu den aufgezeichneten Bewegungsdaten hinzufügen. Dadurch wird z.B. ermöglicht, wesentlich leistungsfähigere Fahrerverhaltensmodelle zu entwickeln. Mit Hilfe der Daten über Straßenneigungen können etwa auch die Reaktionen des Fahrers auf Steigungen und Gefälle für prädiktive Regelungsmodelle generiert werden. Im nächsten Diagramm sieht man eine beispielhafte Trajektorie, bei welcher die Farbe und die Höhe über der Karte die Geschwindigkeit eines bestimmten Fahrzeugs darstellen.

Berechnung von topologischen Attributen

Weiters ist es möglich, verschiedene Attribute gleichzeitig darzustellen. Das nächste Diagramm zeigt z.B. die Geschwindigkeit auf einer Trajektorie durch die Farbgebung und den Abstand des Fahrzeugs zur nächsten Kreuzung mit Hilfe der Z-Achse.

Entwicklung von Filtern und Funktionen zur Sensorfusion

Handelsübliche GPS-Geräte können zeitweise recht große Messfehler aufweisen. In verschiedenen Szenarien, z.B. in Gebieten mit dichten Verkehrsnetzen, könnte dies bedeuten, dass der nächste Weg zur gemessenen GPS-Trajektorie nicht der tatsächliche Weg ist, auf dem der Fahrer gerade unterwegs war. Aus diesem Grund bietet die Toolbox intelligente Optimierungstechniken, welche es ermöglichen, die Trajektorie anhand der vorhandenen Informationen über das Straßennetz zu korrigieren.
So gibt es etwa Funktionen zur Identifikation des plausibelsten Weges anstatt des nächstgelegenen Graphen. Damit bekommt man Werkzeuge zur Entwicklung, Bewertung von Filterungen oder Fusionsalgorithmen aus Odometrie und Tracking-Daten.

Integration Fitness-Tracker

Selbstverständlich ist die Funktionalität der Toolbox nicht auf motorisierte Fahrzeuge beschränkt. Alle geographischen Features können auch genutzt werden, um Fußgänger, Radfahrer oder Bewegungsmuster beliebiger Verkehrsteilnehmer zu analysieren und modellieren. Das nächste Bild zeigt den GPS-Track einer alpinen Wanderung. Die zurückgelegten Höhenmeter sind anhand der Farbskala und der Z-Achse ersichtlich.

Die neue GIS-Toolbox unterstützt beispielsweise direkt das FIT-Protokoll. Dies ist ein Dateiformat, welches explizit für die Sammlung und den Austausch von Daten aus Fitness-, Sport- und Gesundheitsgeräten entwickelt wurde. Das folgende Bild zeigt z.B. Geschwindigkeitsmessungen auf einer GPS-Trajektorie, welche mit einer Garmin Action-Cam auf einem Motorrad aufgezeichnet wurde. Über die FIT-Kopplung lassen sich beispielsweise auch die Herzfrequenzen und Stress-Levels der Fahrer aus Fitness-Uhren einfach in Naturalistic-Driving-Studien (hier "Naturalistic Biking") integrieren.

Analyse Floating-Car-Data

Die Toolbox ermöglicht außerdem Floating-Car-Data zu analysieren und in einen aussagekräftigen geographischen Kontext zu bringen. Man kann etwa die Plotfunktionalitäten der Toolbox nutzen, um aggregierte Geschwindigkeiten von Mobiltelefonen oder Fitnessuhren zu analysieren und Heatmaps zu generieren, die zeigen, welche Straßen und Regionen stärker frequentiert sind. Das nächste Diagramm zeigt eine mögliche Analyse einer Datenbank mit FCD-Trajektorien. Die gelben Segmente entsprechen Bereichen mit höherer FCD-Dichte, wie z.B. U-Bahn-Stationen und Gewerbeflächen.

Lokalisierte Analysen

Auch ein Überblick über die Fahrzeuggeschwindigkeiten ist durch die Toolbox möglich. Im nächsten Plot entsprechen Rot, Gelb und Grün den niedrigen, mittleren und hohen Geschwindigkeiten im Hinblick auf die maximal erlaubte Geschwindigkeit. D.h. nicht nur die Daten einzelner Fahrzeuge lassen sich analysieren. Man kann beliebig viele Trajektorien bezogen auf dedizierte örtliche Regionen auswerten und analysieren.

Postprocessing von Micro-Simulationen

Als Ergebnis von Verkehrsmikrosimulationen (etwa Micro-Simulationen in VISSIM, sumo, AIMSUM, o.ä.) können Floating-Car-Daten auch von virtuellen statt von realen Fahrzeugen erzeugt werden. Damit eignet sich die Toolbox auch als spezielles Postprocessing-Tool für Micro-Simulationen. Mögliche Analysen sind etwa die notwendigen Dichten von FCD und Car2X-Daten für ausreichende Verkehrslage-Identifikation oder die Entwicklung anderer Verkehrsmanagement-Anwendungen.

Topologische Untersuchungen

Schließlich ist die Toolbox auch als statistisches Analyse- und Data-Mining-Tool von Nutzen, um relevante, interessante oder ungewöhnliche Teile des Straßennetzes, wie z.B. Autobahnabschnitte oder Kreuzungen, zu finden und die geometrische Repräsentativität der szenario-basierten Entwicklung des automatisierten Fahren und der Verkehrsautomatisierung zu beurteilen. Mit diesen Werkzeugen kann zum Beispiel festgestellt werden, dass Wien einen viel größeren Anteil an 4-Wege-Kreuzungen hat als jede andere Stadt in Österreich, in der T-Kreuzungen die Regel sind. Andere mögliche Fragestellung wäre etwa, wie viele sogenannte Hundskurven (Kurven mit sich reduzierendem Krümmungsradius) gibt es tatsächlich in Autobahnausfahrten und wie ist die Verteilung von deren Radien.

Zusammenfassung Anwendungsbeispiele

Im Folgenden sind nochmals mögliche Anwendungsbeispiele zusammengefasst, für welche die GIS Toolbox eine bedeutende Hilfestellung bietet und wo u.a. bereits intensive Erfahrungen von ANDATA vorliegen:

  • Aufbereitung und Analyse von beliebigen Tracking-Daten, Naturalistic-Driving-Daten (ND), Daten aus Field Operational Tests (FOT)
  • Labeling von GPS-Tracks mit Geo-Kontext und örtlichen Informationen u.a. zur Aufbereitung der Daten für nachfolgende DataMining-Analysen oder der Erstellung von Klassifikations- und Prognosen-Modellen etwa mit Machine Learning
  • Entwicklung und Spezifikation von erweiterten Floating Car Data für diverse Regelungsaufgaben bei der Verkehrsautomatisierung bzw. die Datenaufbereitung und Analyse zur Entwicklung von Fahrzeugen als Verkehrssensoren
  • Datenaufbereitung zur Entwicklung passender Filterfunktionen zur Anonymisierung von Car2X und Floating Car-Daten, sodass einerseits die resultierenden Informationen noch für relevante Regelungsaufgaben brauchbar sind, andererseits aber Datenschutz und Anonymisierung sichergestellt werden kann
  • Post-Processing und Analyse von Verkehrssimulationen
  • Datenaufbereitung und Analysen zur Entwicklung von kontextabhängigen Fahrerverhaltensmodellen und von Verhaltensmodellen beliebiger anderer Verkehrsteilnehmer
  • Untersuchung und Steuerung der Repräsentativität von Szenario-basierten Simulationen in der Entwicklung und (Effektivitäts-)Bewertung von automatiserten Fahrzeugfunktionen bzgl. Straßentopologien, Straßen-/Kreuzungstypen, Verkehrssituationen, Verhalten von Verkehrsteilnehmern und  (traditionellen, assistierten, automatisierten) Fahrzeuglenkern
  • Zusammenführung von Verkehrslage-Informationen mit Naturalistic-Driving- und anderen Fahrzeugdaten
  • Aufbereitung von Geo-Informationen zur Verifikation und Validierung von automatisierten Fahrfunktionen im realen Testbetrieb beispielsweise in entsprechenden Testfeldern (z.B. gemäß dem WienZWA-Absicherungskonzept)

Verfügbarkeit und Weiterentwicklung

Die Toolbox ist jetzt für ausgewählte Projekte und Kunden als Beta-Version verfügbar und wird kontinuierlich weiterentwickelt und um neue Funktionen ergänzt.
Hier finden Sie eine Zusammenfassung der derzeit verfügbaren und geplanten Funktionen:

Funktion Status
Anpassbare Karten- und Trajektoriendarstellung verfügbar
Extraktion von Trajektorienattributen (Straßentyp, Straßenkrümmung, Höhe und Neigung, Entfernung zur nächsten Kreuzung / Ampel / Fußgängerübergang / Verkehrszeichen /...)

verfügbar

Generisches Modul zur Extraktion von Statistiken und Data Mining in Entwicklung
Kompatibilität mit Openstreetmap verfügbar
Kompatibilität mit FIT-Dateien optional verfügbar
Kompatibilität mit GIP verfügbar
Live-Zugriff auf Openstreetmap-Daten geplant
Lokalisation und Korrektur von Trajektorien verfügbar
Nahtlose Integration in andere ANDATA-Tools (Stipulator, Brainer, Expectator ...) verfügbar
Weitere Datenformate (Google, Bing, etc.) in Entwicklung

 

Bei Interesse können hier unten per Kommentar oder über die Email-Adresse support@andata.at gerne weitere Funktionswünsche und Kommentare eingesteuert werden.

 

Im Text oben wurden einige Namen und Marken anderer Firmen und Organisationen verwendet. Statt Markenhinweisen wird hier jeweils direkt auf die Urheber verlinkt.

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