Was ist die Bedeutung des "Operational Design Domain" (ODD) beim vernetzten, automatisierten Fahren?

Der "Operational Design Domain" (ODD) ist ein häufig verwendeter Begriff im Zusammenhang mit dem vernetzten, automatisierten Fahren. Was ist die Bedeutung davon und wieso ist eine klare, Maschinen- und Menschen-verständliche Definition so wichtig?

Der "Operational Design Domain" ist die Menge an Situationen und Betriebsbedingungen (Operational Conditions, OCs), für welche ein System (hier System zum vernetzten, automatisierten Fahren) dezidiert befähigt ist und per Design bewältigen kann.

Wenn man diese Definition streng mathematisch betrachtet und im Sinne der Mengenlehre und Maß-Theorie interpretiert, dann ist das Konzept der ODD ein sehr mächtiges Instrument in der Entwicklung, Validierung, Bewertung und Freigabe von Systemen, Teil-Systemen und Komponenten, insbesondere beim automatisierten und vernetzten Fahren. Die Konzepte dahinter sind allerdings allgemeingültig für alle beliebigen Automatisierungs- und Regelungssysteme. Für eine genauere und vertiefende Beschreibung und Interpretation wird auf die Grundbegriffe des Szenario-Management und das ODD-Paper verwiesen.

Eine der Grundvoraussetzung  dabei ist eine (parametrierte) Beschreibung der Situationen und Betriebsbedingungen, sodass tatsächlich dann auch die Möglichkeiten und Instrumente der Mengen- und Maß-Theorie angewendet werden können. Wenn dies gelingt (vergleich dazu die formalen Anforderungen im ODD-Paper), dann ergeben sich eine Reihe von nützlichen Anwendungsfällen für verschiedene Stakeholder im Thema:

  • Entwickler/Anbieter von automatisierten Fahrzeugen bekommen ein scharfes Instrument zur Freigabe/Abnahme, indem sie nachweisen, dass der ODD mindestens die Menge der relevanten Betriebs- und Einsatzbedingungen umfasst.
    Gegenüber den Kunden kann ein Nutzen nachgewiesen werden, wenn die ODD einen signifikanten Bereich an Einsatz- und Betriebsbedingungen umfasst.
  • Wenn ein Betreiber/Nutzer klar beschreiben kann, welche Einsatz- und Betriebsbedingungen für ihn relevant sind, kann es ein Fahrzeug auswählen, welches seinen Einsatz- und Betriebsbedingungen am besten erfüllt. Wenn der ODD nicht übermäßig die relevanten Einsatzbedingungen überschreitet, ergeben sich kostengünstige und auf die eigenen Anforderungen zugeschnittene, effiziente Systeme ohne "Over-Design".
    Der Betreiber/Nutzer ist damit auch in der Lage Betriebsbedingungen, welche die ODD überschreiten zu vermeiden und einen sicheren Betrieb zu gewährleisten.
  • Eine Zulassungsbehörde hat ein Instrument, um ein mindestens erforderliches Set an Betriebsbedingungen für die Freigabe im öffentlichen Verkehr zu rechtfertigen, indem der Hersteller/Entwickler den Nachweis führt, dass der ODD eine Obermenge dieser minimalen OCs ist.

Für weitere, vertiefende Details wird auf das ODD-Paper verwiesen.

Die Bedeutung der ODD beinhaltet damit nicht nur den technokratischen Nachweis der System-Fähigkeiten. Bei passender Beschreibung dient diese auch zur Kommunikation der (notwendigen) System-Fähigkeiten zwischen den Entwicklern/Anbietern, Nutzern/Betreibern und Behörden/Zertifizierern.

Speziell im kommerziellen Bereich ist man damit in der Lage reduzierte, spezielle System-Konfigurationen zu finden, bei welchen bereits jetzt ODD-Konstellationen mit Mehrwert und Nutzen ohne die volle Allgemeingültigkeit des autonomen Fahrens zu fordern und alle theoretischen Betriebsbedingungen des Individual-Verkehrs abbilden zu müssen.

Zuletzt aktualisiert am 2024-07-30 von Andreas Kuhn.

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